Generation Z: Mit den von 1996 bis 2009 Geborenen drängt eine neue Generation von Arbeitnehmer*innen auf den Markt. Sie hat nicht vor, so weiterzuarbeiten, wie es die Vorherigen getan haben. Neue Werte, neue Vorstellung, neue Prioritäten: Die “Liquid Youth” stellt ihre eigenen Bedingungen an die Arbeitswelt. Doch wie sehen diese aus? Und wie muss sich die Arbeit im Gesundheitswesen verändern, damit die Branche in Zukunft ein attraktives Beschäftigungsfeld für die Generation Z bietet? Eine Glaskugelschau in die Arbeitswelt von morgen.
Die Generation Z und ihre Erwartungen an die Arbeitswelt
Karriere um jeden Preis war gestern. Die Generation Z bevorzugt eine erfüllende Tätigkeit mit der Möglichkeit persönlicher Selbstentfaltung und stetiger Weiterbildung. Hinzu kommt der Wunsch nach fairer Bezahlung und Sicherheit – doch nicht im nächsten Erdölkonzern, der den Planeten auf Kosten der Kinder und Kindeskinder ausbeutet und das Geld in die Taschen weniger Superreicher spült: Soziale Verantwortung, Menschenrechte, Toleranz, Gerechtigkeit, Diversity und Umweltbewusstsein sind laut aktuellen Studien brennende Themen für die jungen Arbeitnehmer*innen (Ernst & Young GmbH 2020, Deloitte Touche Tohmatsu Limited 2021, Albert et al. 2019). Auch auf Themen der physischen und mentalen Gesundheit ist die Generation Z sensibilisiert und erwartet sich von einem Arbeitgeber darauf Rücksicht zu nehmen (Schnetzer 2021). “Die jungen Leute wollen ja nichts mehr arbeiten”, schimpft da der Boomer, der sich noch bis zu 60 Stunden die Woche den Hintern im Büro wundgesessen hat und nun voller Sehnsucht der verdienten Rente entgegenblickt. Falsch gedacht: Laut der Shell Jugendstudie sind Fleiß und Ehrgeiz für 83 Prozent der 12- bis 25-jährigen wichtig, aber eben nicht mehr um jeden Preis. Richtig ist hingegen, dass sich Unternehmen aller Branchen im “War for Talents” damit beschäftigen sollten, was sich die Generation Z von der Arbeitswelt von Heute erwartet.
New Work: Ein Konzept für die neue Arbeitswelt
“New Work” ist zurzeit wohl einer der allpräsentesten Begriffe, wenn über die Umgestaltung der Arbeitswelt gesprochen wird. Dahinter steckt ein philosophisch-soziologisches Konzept, entwickelt von Prof. Frithjof Bergmann, das sich damit beschäftigt, wie eine zeitgemäße Art des Arbeitens aussehen könnte, bei der die Bedürfnisse und die Zufriedenheit der Arbeitnehmer*innen in den Vordergrund gestellt werden. Das heißt zusammengefasst, mehr Autonomie und Flexibilität, mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten, mehr Vertrauen und Empathie, flache Hierarchien und ein faires Gehalt. New Work spiegelt also zentrale Bedürfnisse der Generation Z wider und ist im Allgemeinen ein gutes Rezept für zufriedene Mitarbeiter*innen.
Was bedeutet das für die Arbeit im Gesundheitswesen?
Mit seinen zahlreichen Disziplinen, unterschiedlichen Unternehmensformen und den vielen beruflichen Spezialisierungen von der Behandlung über die Verwaltung bis hin zu Forschung ist es praktisch unmöglich ein pauschalisiertes New Work-Modell für das Gesundheits- und Sozialwesen zu entwerfen.
Viel mehr geht es darum, sich die einzelnen Teilbereiche anzusehen und New Work-Elemente, da wo möglich, zu implementieren.
New Work ist ein Transformationsprozess, bei dem es darum gehe, die Kultur, basierend auf gemeinsam definierten Werten wie Transparenz, Kooperation und Flexibilität zu verändern, so die Ärztin, Co-Founderin und Speakerin Jana Aulenkamp in einem Interview mit Medica.de. Daraus würde am Ende nicht nur zufriedeneres Personal resultieren, sondern auch viele neue Ideen für die Gesundheitsversorgung. Wir wollen hier Beispiele anführen, wie die Arbeit im Gesundheitswesen für Arbeitnehmer*innen der Generation Z attraktiver gemacht werden kann:
Flexibilität und Freiräume
Der Leistungswille der Generation Z entfaltet sich besonders dann, wenn man ihr die Freiräume zur Partizipation gibt. Lässt man das medizinische Personal an der Gestaltung des Arbeitsplatzes sowie der Prozesse im Arbeitsalltag teilhaben, wird dies zur Entstehung neuer Ideen, höherem Engagement und einer größeren Identifikation mit dem Arbeitgeber führen. Darüber hinaus nimmt Flexibilität einen hohen Stellenwert für junge Arbeitnehmer*innen ein, seien es Teilzeitmodelle, familienfreundliche Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Während die physische Anwesenheit im OP-Saal oder in der Pflege am Intensivbett nach wie vor unabdingbar sein wird, können Verwaltungstätigkeiten wie Dokumentation, QM und Abrechnung, aber auch die Patientenkommunikation bis hin zur virtuellen Sprechstunden im Homeoffice erfolgen, abseits des oftmals hektischen Setting eines gesundheitlichen Betriebs. Dass das funktionieren kann, beweisen die skandinavischen Länder, in denen Homeoffice auch für das Gesundheitspersonal bereits fester Bestandteil der Arbeitskultur ist.
Technologie
Die Arbeit im Gesundheitswesen hat sich gewandelt: Der enorme Verwaltungsaufwand hat dazu geführt, dass die eigentliche Berufung auf der Strecke bleibt. “Steigende Arbeitsbelastung, unzureichende Personalausstattung, Dokumentationswahn, kaum Zeit für Gespräche mit den Patient*innen und fehlende Wertschätzung ärztlicher Arbeit”, so beschreiben laut Marburger Bund viele Ärzte und Ärztinnen ihre Arbeitsbedingungen. In der Pflege sieht die Situation nicht anders aus. Die Patient*innen und Bewohner*innen stehen erst an der zwölften Stelle bei Arbeitsunterbrechungen und sollten eigentlich an der ersten stehen.
Digitale Tools bieten die große Chance, Routineaufgaben zu automatisieren, die interne Kommunikation zu verbessern und dadurch wieder den nötigen Raum für die eigentlichen Aufgaben des Gesundheitspersonals zu schaffen. Hinzu kommen die Erwartungen der Generation Z: Aufgewachsen mit der Digitalisierung, setzen junge Arbeitnehmer*innen auch im professionellen Kontext voraus, von den Vorteilen moderner Technologien zu profitieren.
Gerade viele junge Ärztinnen und Ärzte oder auch Personen aus anderen Gesundheitsberufe interessieren sich für Digitalisierungsprozesse.
Der Markt bietet inzwischen eine große Bandbreite an Lösungen, beispielsweise zur Digitalisierung von Kommunikation, Personalplanung oder der Überwachung von Kühlsystemen. Diese Chance sollten gesundheitliche Betriebe wahrnehmen.
Kollaboration und Leadership
Traditionell zeichnen sich gesundheitliche Betriebe durch starre Hierarchien aus. Die Generation Z hingegen wünscht sich flache Hierarchien, ein teamorientiertes Miteinander und die Begegnung auf Augenhöhe (F. Calmbach et al. 2020). Darüber hinaus ist Anerkennung ein starkes Bedürfnis: 68% der Befragten einer Studie von Randstad Deutschland gaben im Jahr 2021 an, dass “gebraucht werden” bei der Gestaltung ihres Lebens wichtig ist. Wie diese neue Art von Konnektivität und Kollaboration im Gesundheits- und Sozialwesen aussehen kann, müssen die Unternehmen individuell entscheiden.
Gesundheit und Wohlbefinden
Die eigene Gesundheit nimmt für die junge Generation einen zentralen Stellenwert ein: Laut einer aktuellen Studie finden 7 von 10 Befragten aus der Generation Z Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung für die Attraktivität eines Unternehmens entscheidend (Weitzel et al. 2020). Dem gegenüber steht eine Studie des Marburger Bundes, wonach 91 Prozent der Klinikärzte und -ärztinnen regelmäßig an Überforderung leiden. Betriebe müssen mehr Acht auf die Work-Life-Balance geben, sei es durch entsprechende Arbeitszeitmodelle, die Gestaltung des Arbeitsplatzes oder eine neue Definition von Arbeiten selbst. Denn die Generation Z bringt ein 2 in 1-Arbeitsverständnis mit.
Beim Arbeiten wird gelebt und beim Leben wird gearbeitet. Das Arbeiten müssen weicht zunehmend dem Arbeiten wollen.
Um diesem Wunsch entgegenzukommen, können gesundheitliche Betriebe in verschiedensten Bereichen ansetzen. Der Alltag im Gesundheits- und Sozialwesen ist hektisch, weshalb auch am Arbeitsplatz Raum für Erholung geschaffen werden sollte. Hierfür gibt es innovative Raumkonzepte, die Ruhe- und Begegnungszonen für die Mitarbeiter*innen inkludieren. Die Bereitstellung kostenloser psychologischer Betreuung sowie Sportangebote können weitere wichtige Schritte sein, um das Wohlbefinden des Personals zu fördern. Auch die Möglichkeit zur stetigen Weiterbildung liegt der Generation Z am Herzen. In einer Studie des Zukunftsinstituts aus dem Jahr 2013 gaben 85 Prozent der 20- bis 35-jährigen an, dass kontinuierlicher Wissensaufbau zu ihren Lebenszielen gehöre.
Fazit: New Work funktioniert auch im Gesundheits- und Sozialwesen
Überzeugungen bauen oft auf dem auf, was wir in der Kindheit und Jugend gelernt haben, schreibt der Gesundheitswissenschaftler Hans Rosling in seinem Buch “Factful”. Ähnlich halten sich die Vorstellungen von einer Arbeitswelt, die dem reinen Zweck des Geldverdienens dient und wenig sinnerfüllend ist. Dass es auch anders gehen kann, beweisen inzwischen immer mehr Betriebe, die das New Work-Modell für sich entdecken. Sie profitieren wiederum von hochmotivierten und gesünderen Mitarbeiter*innen, geringer Fluktuation und höherer Produktivität. Die Generation Z wiederum erwartet sich ein solches Umfeld von Arbeitgeber*innen. Gesundheitliche Betriebe sollten sich also nicht fragen, ob, sondern wie sie ansprechende Bedingungen für junge Arbeitnehmer*innen schaffen können.
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Über den Autor
Michael Santner
Berichte von verarmten Dichtern während seines Studiums bewogen ihn dazu, seiner Passion an einem festen Arbeitsplatz nachzugehen. Im Marketing von hotelkit kümmert er sich darum, die Ideen seiner Kolleg*innen in spannende Geschichten zu verpacken.
Onlinequellen:
- https://www.medica.de/de/medtech-devices/New_Work_in_Healthcare
- https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/tup-das-jugendliche-work-life-mindset/
- https://www.detecon.com/de/journal/das-gesundheitswesen-und-new-work
- https://www.kma-online.de/aktuelles/management/detail/new-work-medizin-perfektes-gesundheitssystem-47287
- https://www.cgm.com/aut_de/magazin/artikel/2021/oktober/new-work-auch-im-gesundheitswesen.html
Fachartikel:
Vera Starker: New Work im Gesundheitswesen – Wie die Utopie gelingen kann
Sarah Kauz, Tobias Dauth: New Work in der Pflege
Ali Sunyaev, Christoph Rosenkranz, Phil Hennel, Richard Guse, Scott Thiebes, Tamina Seeger-Nukpezah: Digitalisierung – Auswirkungen auf die Arbeitswelt von Morgen
Andrea Jarre, Max Tischler, Jasmin Youssef: Wie will die Generation von Morgen im Gesundheitswesen arbeiten?
Albert M, Hurrelmann K, Quenzel G, Schneekloth U (2019) Die 18. Shell Jugendstudie — Eine Generation meldet sich zu Wort. Diskurs Kindheitsund Jugendforschung / Discourse. Journal of Childhood and Adolescence Research 14(4): 484-490
Ernst & Young (2020) EY Studierendenstudie 2020, StudentInnen in Deutschland: Werte, Ziele, Perspektiven. Ernst & Young GmbH Wirtschafsprüfungsgesellschaft
Deloitte Touche Tohmatsu Limited (2021) Millennial and Gen Z Survey. A call for accountability and action | Germany
Schnetzer S (2021) Die Studie Junge Deutsche 2021 — Zukunft neu denken und gestalten: Lebens- und Arbeitswelten der Generation Z & Y in Deutschland. Junge Deutsche — Die Studie
Calmbach M, Flaig B, Edwards J, Möller-Slawinski H, Borchard I, Schleer C (2020) Sinus-Jugendstudie 2020. Wie ticken Jugendliche? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Schriftenreihe Band 10531 Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung
Weitzel T, Maier C, Weinert C, Pflügner, Oehlhorn C, Wirth J (2020) Generation Z — Die Arbeitnehmer von morgen — Ausgewählte Ergebnisse der Recruiting Trends 2020, Research Report. Bamberg: Otto-Friedrich-Universität